Dass Weihnachten vor der Tür steht, merkt man bereits in fast allen Bereichen des täglichen Lebens. So gibt es bereits seit Wochen Lebkuchen und Glühwein zu kaufen und der erste Weihnachtsmarkt wurde in Sachsen bereits eröffnet. So ist es kein Wunder, dass sich auch die Gerichte bereits auf Weihnachten vorbereiten. Und so kam es, dass im Oktober ein Urteil zur Videoüberwachung eines Weihnachtsmarktes fiel.
Der Fall
In der Innenstadt von Hannover fand zwischen dem 22.11.2022 und dem 22.12.2022 der jährliche Weihnachtsmarkt statt. Für den gesamten Weihnachtsmarkt ordnete die Polizeiinspektion Besondere Dienste die Videoüberwachung an. Daraufhin stellte die Polizei auf dem Weihnachtsmarkt vier Kameras auf. Begründet wurde diese Maßnahme mit einer sogenannten Datenschutzfolgenabschätzung (DSFA), die am 17.11.2022 durchgeführt wurde. Der Weihnachtsmarkt würde zu einem erhöhten Besucherandrang führen, weshalb es zu einem Anstieg der Alltagskriminalität und Gefahren durch bestimmte Verhaltensweisen, z. B. Betteln und alkoholisierte Personen, kommen könnte. Nicht zuletzt seien Weihnachtsmärkte seit dem Anschlag auf den Breitscheidplatz in Berlin verstärkt im Zusammenhang mit terroristischer Bedrohung in den Fokus gerückt.
Ein Mann, der sich durch die Videoüberwachung bei seinem besinnlichen Weihnachtsmarktbesuch gestört fühlte, erhob schließlich am 12.12.2022 vor dem Verwaltungsgericht (VG) Hannover Klage. Mit seiner Klage trug er vier Gründe vor:
- Es fehlt an einer statistisch belegbaren Analyse, dass im Erfassungsbereich der Kameras mehr Straftaten als in nichtüberwachten Bereichen begangen würden,
- andere Weihnachtsmärkte in Hannover werden nicht videoüberwacht,
- ein terroristischer Anschlag kann nicht durch eine Videoüberwachung verhindert werden und
- die Hinweisbeschilderung ist unzureichend.
Am 15.12.2022 stellte der Kläger zusätzlich einen Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz, den das VG mit Beschluss vom 20.12.2022 aber ablehnte.
Die Entscheidung
Das VG urteilte, dass die Feststellungklage des Klägers zulässig, aber nicht begründet war. Die Videoüberwachung hat in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung gem. Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 2 Abs. 1 Grundgesetz (GG) des Klägers eingegriffen. Allerdings ist die Videoüberwachung in diesem Fall durch § 32 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 und Satz 3 Niedersächsisches Polizei- und Ordnungsbehördengesetz (NPOG) gerechtfertigt. Denn die Verwaltungsbehörden und die Polizei dürfen öffentliche Straßen und Plätze sowie andere öffentlich zugängliche Orte mittels Bildübertragung offen beobachten, wenn Tatsachen vorliegen, dass im zeitlichen und örtlichen Zusammenhang mit einer Veranstaltung oder einem sonstigen Ereignis eine Straftat oder nicht geringfügige Ordnungswidrigkeit begangen wird und somit die Beobachtung zu deren Verhütung erforderlich ist.
Diese Tatbestandsvoraussetzungen lagen in Bezug auf den innerstädtischen Weihnachtsmarkt vor. Aufgrund von Auswertungen der polizeilichen Kriminalstatistik ergab sich eine erhöhte Gefahr für Straftaten und Ordnungswidrigkeiten im Rahmen des innerstädtischen Weihnachtsmarktes. Zusätzlich besteht zumindest die abstrakte Gefahr eines terroristischen Anschlags auf den Weihnachtsmarkt in der Innenstadt in Hannover, da dieser einen besonderen Anziehungspunkt für Besucher darstellt. Der Weihnachtsmarkt hat aufgrund seiner Symbolträchtigkeit und Bekanntheit eine besondere Lage. Das Argument des Klägers, dass die Überwachung nicht den terroristischen Anschlag an sich verhindert, ist korrekt; es könnten aber Vorfeldaktivitäten entdeckt werden.
Bezüglich der Hinweisbeschilderung stellte das Gericht fest, dass die Videoüberwachung des Weihnachtsmarktes für die betroffenen Besucher auch hinreichend erkennbar war. Zwar sind die Kameras sehr hoch angebracht und damit außerhalb des Sichtfeldes der Weihnachtsmarktbesucher; die Beklagte hat aber hinreichende Hinweisschilder angebracht, die es allen Besuchern ermöglichte, von der Videoüberwachung Kenntnis zu erlangen. Zusätzlich wurde die Videoüberwachung durch eine Pressemitteilung publik gemacht und auf der Website der Stadt konnten sogar die Standorte der Videokameras eingesehen werden.
Fazit
Für eine Videoüberwachung benötigt man eine Rechtsgrundlage. In Betracht kommen Vorschriften aus der Datenschutzgrundverordnung (DS-GVO), dem Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) oder eine Spezialvorschrift, wie hier das NPOG. In diesem Fall „versteckt“ sich der Datenschutz in diesem Spezialgesetz. Und weil die Polizeidirektion bereits in der mündlichen Verhandlung mitgeteilt hat, dass eine Videoüberwachung des Weihnachtsmarktes 2023 bereits in Prüfung sei, hat das VG – um der Wiederholungsgefahr einer Klage entgegenzuwirken – bereits vor Weihnachten dieses Urteil gesprochen.
(VG Hannover, Urteil v. 10.10.2023, Az.: 10 A 5210/22)