Urteile zur Abmahnfähigkeit von Datenschutzverstößen

Ob Wettbewerber oder Verbände für Verstöße gegen die datenschutzrechtlichen Vorgaben eine Abmahnung nach den Vorgaben des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) aussprechen dürfen, konnte bis jetzt noch nicht eindeutig geklärt werden. Zwar gibt es zur Abmahnfähigkeit von Datenschutzverstößen bereits mehrere Gerichtsentscheidungen, die Urteile der Richter fallen allerdings unterschiedlich aus. Von „Ja“ über „es kommt drauf an“ bis „Nein“ werden alle Meinungen vertreten:

Fallbeschreibung

Hintergrund des Vorabentscheidungsersuchens sind zwei Verfahren zwischen Apothekern, die vor dem für das Wettbewerbsrecht zuständigen I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) verhandelt werden. Ein Apotheker vertreibt seine Produkte über die Internet-Verkaufsplattform „Amazon“, was nach Ansicht des klagenden Mitbewerbers gegen Vorschriften des Arzneimittelgesetzes (AMG), des Heilmittelwerbegesetzes (HWG), der Apothekenbetriebsordnung (ApBetrO) und der Berufsordnung für Apotheker sowie andererseits gegen datenschutzrechtliche Regelungen verstößt. In einem zweiten Verfahren rügt der Mitbewerber, dass der beklagte Apotheker für die Erhebung und Verarbeitung personenbezogener Daten im Rahmen des Bestellprozesses über Amazon keine Einwilligung eingeholt hat. Da es sich um Gesundheitsdaten i. S. v. Art. 9 DS-GVO handelt, wäre diese nach Ansicht des Klägers allerdings erforderlich.

Nach Verhandlungen vor dem Landgericht (LG) Magdeburg (Az.: 36 O 48/18) bzw. dem LG Dessau-Roßlau (Az.: 3 O 29/17), landeten beide Verfahren in der Revision vor dem Oberlandesgericht (OLG) Naumburg. Das OLG entschied in beiden Fällen, dass die Regelungen der DS-GVO in der konkreten Konstellation als Marktverhaltensregeln i. S. v. §3a UWG (Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb) anzusehen sind. Der beklagte Apotheker verarbeite im Rahmen der Bestellungen auch Gesundheitsdaten seiner Kunden i. S. v. Art. 9 Abs. 1 DS-GVO, für die die erforderliche Einwilligung fehle. Gegen die Entscheidungen des OLG (Az.: 9 U 6/19 und 9 U 39/18) wurde jeweils wiederum Revision eingelegt.

Entscheidung des BGH

Nach einem ersten Vorabentscheidungsersuchen im September 2020 hat der BGH dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) im Januar erneut zwei Fragen vorgelegt. Zum einen soll der EuGH klären, ob die Regelungen in Kapitel VIII der DS-GVO nationalen Regelungen entgegenstehen, die Mitbewerbern die Befugnis einräumen, wegen Datenschutzverstößen gegen den Verantwortlichen im Wege einer Klage vor den Zivilgerichten unter dem Gesichtspunkt des Verbots der Vornahme unlauterer Geschäftspraktiken vorzugehen. Die zweite Frage beinhaltet, ob es sich bei den Daten, die Kunden eines Apothekers bei der Bestellung von zwar apothekenpflichtigen, nicht aber verschreibungspflichtigen Medikamenten auf der Verkaufsplattform eingeben (Name des Kunden, Lieferadresse und die für die Individualisierung des bestellten apothekenpflichtigen Medikaments notwendigen Informationen), um Gesundheitsdaten i. S. v. Art. 9 Abs. 1 DS-GVO handelt. Die Verfahren vor dem BGH wurden bis zur Beantwortung der Fragen durch den EuGH ausgesetzt.

(BGH, Beschlüsse v. 12.01.2023, Az.: I ZR 222/19 und I ZR 223/19)

Der BGH hat die Frage nach der Abmahnfähigkeit von Datenschutzverstößen durch Wettbewerber und Verbände dem EuGH vorgelegt.

(Az.: I ZR 186/17)

Ob eine datenschutzrechtliche Norm marktverhaltensregelnden Charakter hat und damit das Wettbewerbsrecht anwendbar ist, muss individuell anhand der betroffenen Norm geprüft werden. Dementsprechend ist die Abmahnfähigkeit von Verstößen gegen die DS-GVO eine Einzelfallentscheidung.

(Az.: 3 U 66/17)

Die gleiche Meinung vertreten das OLG Naumburg (Urteil v. 07.11.2019, Az.: 9 U 6/19) sowie das OLG Stuttgart (Urteil v. 27.02.2020, Az.: 2 U 257/19)

Abmahnungen wegen Verstöße gegen die DS-GVO sind trotz der abweichenden Zielrichtung des Wettbewerbsrechts nicht zulässig, da die DS-GVO eine abschließende Regelung zu Sanktionen enthält und die Zuständigkeit für deren Ahndung ausschließlich bei den Aufsichtsbehörden liegt.

(Az.: 35 O 68/18 Kfh)

Die DS-GVO enthält eine abschließende Regelung zur Frage, wer Verletzungen des Datenschutzes geltend machen darf. Daher sind Abmahnungen nicht zulässig.

(Az.: 36 O 48/18)

Konkurrenten können Verletzungen des Datenschutzes nicht abmahnen.

(Az.: 5 O 214/18)

Verstöße gegen die DS-GVO stellen gleichzeitig auch einen Verstoß gegen das Wettbewerbsrecht dar und sind damit abmahnfähig. Zusätzlich müssen Firmenhomepages verschlüsselt sein und die verwendete Datenschutzerklärung den Anforderungen der DS-GVO entsprechen.

(Az.: 11 O 1741/18 UWG)

Die DS-GVO enthält abschließende Regelungen zur Ahndung von Datenschutzverstößen, weshalb keine weiteren Gesetze herangezogen werden können. Demnach sind Verstöße gegen die DS-GVO nicht nach Wettbewerbsrecht abmahnfähig.

(Az.: I-12 O 85/18)