Urteile zur Verarbeitung von Bild- und Videoaufnahmen

In der heutigen Zeit sind Videokameras und Fotoaufnahmen im (Arbeits-) Alltag kaum mehr wegzudenken. Die Verwendung von Bild- und Videoaufnahmen stellt allerdings einen Eingriff in die Persönlichkeitsrechte der aufgenommenen Personen dar, weshalb die DS-GVO hohe Zulässigkeitsanforderungen stellt. Dies gilt insbesondere für den Einsatz von Videokameras, der nur unter strengen Voraussetzungen überhaupt zulässig ist. In bestimmten Bereichen ist der Einsatz von Kameras gänzlich untersagt, beispielsweise in Intimzonen (z. B. Toiletten, Umkleideräume) sowie in Bereichen, in denen die Wahrnehmung von Freizeitrechten und die Entfaltung der Persönlichkeit von wesentlicher Bedeutung sind (z. B. Aufenthaltsräume). Die Überwachung der Arbeitsleistung von Mitarbeitern ist ebenfalls nicht zulässig, wobei es hier ausreichend ist, wenn die Möglichkeit einer Überwachung besteht. Selbst bei einer zulässigen Videoüberwachung dürfen die Aufzeichnungen nicht für unbegrenzte Zeit aufbewahrt werden, in der Regel müssen die Daten nach 48 Stunden gelöscht werden.

Die Frage, ob eine Videoüberwachung in konkreten Fällen zulässig ist, musste bereits mehrfach vor Gericht geklärt werden:

Selbst wenn eine Videoüberwachung – im vorliegenden Fall in Form von Dash-Cams – unzulässig ist, führt das nicht zwangsläufig zu einem Beweisverwertungsverbot im Zivilprozess. Vielmehr muss im Einzelfall mithilfe einer Interessen- und Güterabwägung entschieden werden, ob die Aufzeichnungen als Beweismittel verwertet werden dürfen.

(Az.: 17 S 6473/16)

Die Verarbeitung von offenen Videoaufzeichnungen im Kassenbereich ist zulässig, da die Kassiererin bei Kenntnis der Videoaufzeichnung zumindest damit rechnen muss, dass auch die Handlungen von Beschäftigten von der Videoüberwachung erfasst sind. Ist eine längere Aufbewahrung der Aufzeichnungen erforderlich, steht der Datenschutz dieser nicht zwingend entgegen.

(Az.: 2 AZR 133/18)

Fallbeschreibung

Ein Kunde betrat im März 2018 – bevor die DS-GVO in Kraft trat – einen Supermarkt. Dort wurde er während des Einkaufs von Videokameras überwacht. Hinweisschilder gab es nicht. Es folgten eine Abmahnung, eine Aufforderung, zukünftig nur noch gesetzeskonforme Videoüberwachung zu betreiben und eine Forderung nach Schmerzensgeld i. H. v. 1.000 EUR. Die Klage vor dem Landgericht (LG) Stuttgart (Urteil v. 22.07.2020, Az.: 21 O 82/19) hatte keinen Erfolg.

Entscheidung des OLG Stuttgart

Das OLG entschied jedoch für den Kläger. Das Gericht stellte fest, dass der Supermarktbetreiber tatsächlich eine illegale Videoüberwachung betrieben hat, denn die Angabe des Verarbeitungszweckes „zur Gefahrenabwehr“ und „zur Strafverfolgung“ war nicht ausreichend. Weiterhin erklärte das Gericht zur Beweislast in solchen Fällen, dass das Unternehmen die Rechtmäßigkeit der Datenverarbeitung nachweisen muss. Das verlangte Schmerzensgeld wurde aber abgelehnt.

(OLG Stuttgart, Urteil v. 18.05.2021, Az.: 12 U 296/20)

Fallbeschreibung

Die Klägerin betrieb ein Einkaufszentrum. Auf dem zugehörigen Parkplatz waren mehrere Videokameras installiert, da es in der Vergangenheit zu erheblichen Sachbeschädigungen und anderen Straftaten auf dem Gelände gekommen war. Die zuständige Datenschutzbehörde ordnete die teilweise Abschaltung der Geräte und den Abbau der tatsächlich deaktivierten Kameras an.

Entscheidung des OVG Koblenz

Das OVG Koblenz lehnte das Verlangen nach dem Abbau der deaktivierten Kameras ab, da eine ausgeschaltete Videokamera bereits nicht mehr dem Anwendungsbereich der DS- GVO unterfällt und es für die Aufforderung bezüglich des Abbaus der deaktivierten Kameras keine ausreichende datenschutzrechtliche Ermächtigungslage gibt.

(OVG Koblenz, Urteil v. 25.06.2021, Az.: 10 A 10302/21)

Fallbeschreibung

Die Betreiberin eines Fitnessstudios führte während der gesamten Öffnungszeiten auf allen Trainingsflächen eine durchgehende Videoüberwachung durch, auf die die Kunden durch entsprechende Schilder hingewiesen wurden. Die Kameras nahmen dabei den gesamten Trainingsbereich auf, in dem die Kunden trainierten. Begründet wurde diese Maßnahme zum einen damit, dass sie der Prävention und Aufklärung von Diebstählen und Sachbeschädigungen diene. Zum anderen, dass damit der Schutz der weiblichen Trainierenden vor sexuellen Übergriffen gewährleistet wird, da eine durchgängige Anwesenheit des Personals in allen Räumen nicht sichergestellt werden kann.

Entscheidung des VG Ansbach

Das Gericht stellte zunächst fest, dass die Videoüberwachung nicht DS-GVO-konform ist, denn die Interessen der Trainierenden überwiegen den Interessen der Betreiberin des Fitnessstudios. Bei der durchgehenden Videoüberwachung im Fitnessstudio während der gesamten Öffnungszeiten und auf allen Trainingsflächen handelt es sich um einen gravierenden Eingriff in das Grundrecht aller Trainierenden, ohne räumliche oder zeitliche Ausweichmöglichkeit. Außerdem mussten Trainierende nicht mit einer kompletten Videoüberwachung im Fitnessstudio rechnen. In diesem Zusammenhang sind Hinweisschilder, die über eine Videoüberwachung informieren, zur Bestimmung, was eine betroffene Person objektiv in einer bestimmten Situation erwarten kann, unerheblich. Aus diesen Gründen wurde das Fitnessstudio zur Unterlassung der Videoüberwachung verurteilt.

(VG Ansbach, Urteil v. 23.02.2022, Az.: AN 14 K 20.00083)

Eine Videoüberwachung ist nur erforderlich, wenn eine konkrete Gefährdungslage besteht, die über das allgemeine Lebensrisiko hinausgeht. Subjektive Befürchtungen oder ein Gefühl der Unsicherheit sind hierfür nicht ausreichend. Ist die Videoüberwachung unzulässig, darf die zuständige Aufsichtsbehörde allerdings lediglich das Abschalten der betreffenden Kameras anordnen. Da bei einer abgeschalteten Kamera keine personenbezogenen Daten mehr verarbeitet werden, kann die Behörde keine Anordnung über das Abhängen der Kameras erlassen.

(Az.: 1 K 548/19.MZ)

Fallbeschreibung

Eine Privatperson brachte auf ihrem Grundstück zwei Überwachungskameras mit intelligenter Videotechnologie an. Die verwendeten Kameras können Daten speichern und verarbeiten, Personenzählungen auch nach Alter und Geschlecht sowie Objekt- und Personenerkennung in Echtzeit durchführen. Beide Kameras sind grundsätzlich in der Lage, das Nachbargrundstück zu erfassen.

Entscheidung des AG Bad Iburg

Das Gericht entschied, dass die Kameras in der jetzigen Form entfernt werden müssen, da die Installation das Persönlichkeitsrecht der Nachbarn beeinträchtigt. Dabei muss nicht sicher sein, ob die Kameras tatsächlich Teile des Nachbargrundstücks erfassen, da ein Unterlassungsanspruch schon dann bestehen kann, wenn eine Überwachung durch Kameras objektiv ernsthaft zu befürchten ist („Überwachungsdruck“).

(AG Bad Iburg, Urteil v. 12.11.2021, 4 C 366/21)

Fallbeschreibung

In einem Gebäude in Berlin befinden sich Wohnungen und eine Kindertagesstätte (Kita). Die Kita errichtete eine Videoüberwachung, die auch auf den Innenhof des Gebäudes gerichtet war, der auch von den Mietern des Gebäudes genutzt werden durfte und in dem sich ein Spielplatz befindet. Eines Tages stellte einer der Mieter sein Fahrzeug in diesem Innenhof ab, um es für eine Urlaubsreise zu beladen. Daraufhin beschwerte sich die Kita beim Vermieter und behauptete, der Mieter habe einen Hausfriedensbruch begangen.

Es kam zum Rechtsstreit zwischen der Kita und dem Mieter, der die Videoüberwachung für rechtswidrig erachtete. Er verlangte Unterlassung und Schadensersatz, da er über einen langen Zeitraum den Innenhof wegen der Videoüberwachung nicht nutzen konnte, sowie Schmerzensgeld wegen des einhergehenden Überwachungsdrucks und der Bezichtigung als Hausfriedensbrecher.

Entscheidung des LG Berlin

In der ersten Instanz stimmte das zuständige Amtsgericht (AG) dem Kläger zu und auch der Berliner Datenschutzbeauftragte hat die Kita im Zuge dieses Vorfalls bestandskräftig mit einem Bußgeld verwarnt. Das Landgericht (LG) Berlin sah für die Datenverarbeitung der Kita ebenfalls keine Rechtsgrundlage. Bei einer Interessensabwägung nach Art. 6 Abs. 1 lit. f) DS-GVO überwiegen die Interessen des Mieters. Er musste stets damit rechnen, dass mit Betreten des Innenhofs sein Verhalten beobachtet wird. Erschwerend kam hinzu, dass es sich bei der beobachteten Fläche um einen Rückzugsbereich handelt, in dem der Mieter und dessen Kinder ihre Freizeit verbringen durften. Darüber hinaus war auch keine zeitliche Begrenzung der Speicherung der Aufnahmen ersichtlich.

Das Gericht bejahte hier sowohl einen materiellen als auch einen immateriellen Schaden, da er durch die Videoüberwachung an der mietvertraglich geregelten Nutzung des Innenhofs gehindert war. Bei der Ermittlung des Schadens wurde berücksichtigt, dass die Kita trotz Verwarnung durch die Aufsichtsbehörde, Beschwerden des Verwalters und gerichtlichem Versäumnisurteil die Überwachung fortsetzte sowie die Daten offenkundig noch speicherte und bis zum Tag der Urteilsverkündung noch verwendete. Das Gericht hielt das Versäumnisurteil der Vorinstanz aufrecht. Folglich erhielt der Kläger einen Schadensersatz in Höhe von 2.011,52 Euro und ein Schmerzensgeld in Höhe von 5.000 Euro für einen Zeitraum von 18 Monaten (jeweils zzgl. Zinsen).

(LG Berlin, Urteil v. 15.07.2022, Az.: 63 O 213/20)

Fallbeschreibung

Zwischen zwei Nachbarn besteht seit vielen Jahren ein erbitterter Streit. Nachdem einer der beiden Nachbarn befürchtete, dass der andere sein Grundstück unbefugt betritt, montierte er unter anderem eine Videokamera an seiner Giebelwand. Dies wollte der andere Nachbar aber nicht akzeptieren, da er durch die Videoüberwachung unzulässige Einblicke in das eigene Grundstück und eine Verletzung der Privatsphäre befürchtete.

Entscheidung des LG Frankental

Im Urteil wurde deutlich, dass die Videoüberwachung eines Privatgrundstückes nur zulässig ist, wenn sie auf das eigene Grundstück beschränkt ist. Eine Videoanlage, die eine Einsicht in das Grundstück der Nachbarn ermöglicht, ist unzulässig, denn sie verletzt deren verfassungsrechtlich geschütztes Persönlichkeitsrecht. Eine Videoüberwachung am Nachbarhaus muss wieder entfernt werden, wenn es ohne großen Aufwand möglich ist, die Blickwinkel in Richtung des Nachbargrundstücks zu lenken und dieses zu überwachen.

(LG Frankenthal, Urteil v. 16.12.2020, Az. 2 S 195/19)