Kaum hat das neue Jahr begonnen, wurde bereits das erste Bußgeld in Millionenhöhe wegen eines Verstoßes gegen die DS-GVO bekannt. Die Landesbeauftragte für den Datenschutz (LfD) Niedersachen, Barbara Thiel, sprach noch vor dem Jahreswechsel gegen das Unternehmen notebooksbilliger.de AG das bisher höchste Bußgeld in Niedersachen aus. Sie ahndete die unzulässige Videoüberwachung in den Räumlichkeiten des Hardware-Händlers mit einer Geldstrafe in Höhe von 10,4 Millionen Euro. Nach Ansicht der Datenschutzaufsicht entspricht der Einsatz der Videokameras bei dem Unternehmen nicht den datenschutzrechtlichen Anforderungen und stellt damit einen schwerwiegenden Verstoß gegen die DS-GVO dar.
Wie hoch die Anforderungen an eine datenschutzkonforme Videoüberwachung sind, haben in den letzten Jahren immer wieder verschiedene Gerichtsurteile sowie Bußgelder und Anordnungen der Aufsichtsbehörden gezeigt. Auch wenn es im Alltag häufig nicht so erscheinen mag, ist der Einsatz von Kameras nur unter engen Voraussetzungen überhaupt zulässig. Die Überwachung stellt einen erheblichen Eingriff in die Persönlichkeitsrechte der Betroffenen dar, da die Aufnahmen theoretisch ein Beobachten und Analysieren des gesamten Verhaltens ermöglichen. Aus diesem Grund ist insbesondere ein konkrete Gefährdungslage erforderlich, um eine Videoüberwachung zu rechtfertigen. Ein (nicht nachweisbarer) Generalverdacht sowie die Annahme, die Kameras hätten eine abschreckende Wirkung, sind nicht ausreichend.
Hintergrund des Bußgeldes
Der Händler hatte über mindestens zwei Jahre hinweg in seinen Räumlichkeiten mehrere Kameras installiert, die unter anderem Arbeitsplätze, Verkaufsräume, Lager und Aufenthaltsbereiche erfassten. Dementsprechend waren von der Überwachung sowohl Beschäftigte als auch Kunden betroffen. Als Zweck der Videoüberwachung gab das Unternehmen die Verhinderung von Straftaten sowie die Nachverfolgung des Warenflusses in den Lagern an. Nach Ansicht der LfD Niedersachen lässt sich damit allerdings keine Videoüberwachung rechtfertigen, weshalb es für die Verarbeitung personenbezogener Daten an der erforderlichen Rechtsgrundlage fehle.
Im Hinblick auf die Verhinderung von Diebstählen hätte das Unternehmen zunächst prüfen müssen, ob nicht mildere Mittel wie beispielsweise stichprobenartige Taschenkontrollen beim Verlassen der Betriebsstätte ebenso geeignet gewesen wären wie eine Videoüberwachung. Um die Überwachung zum Zwecke der Aufdeckung von Straftaten zu rechtfertigen, muss zudem ein konkreter Verdacht gegen eine bestimmte Person bestehen. Nur dann kann eine Videoüberwachung dieser Person innerhalb eines zeitlich begrenzten Rahmens zulässig sein. Im Falle des Versandhändlers war die Überwachung allerdings weder zeitlich eingeschränkt noch auf einen konkreten Beschäftigten begrenzt.
Generalverdacht rechtfertigt keine Videoüberwachung
Die LfD Niedersachen betont in ihrer Presseerklärung zu dem Bußgeld, dass eine dauerhafte und anlasslose Videoüberwachung einen massiven Eingriff in die Persönlichkeitsrechte der MitarbeiterInnen darstellt. Dieser kann nicht damit gerechtfertigt werden, dass Unternehmen ihre Beschäftigten unter einen Generalverdacht stellen und den Einsatz von Kameras mit deren angeblich abschreckender Wirkung begründen. Insbesondere bei Beschäftigten entsteht durch die Kameras ein Überwachungsdruck, der dazu veranlasst, sich auf eine bestimmte Art und Weise zu verhalten – unabhängig davon, für welche Zwecke die Aufnahmen tatsächlich genutzt werden. Arbeitgeber müssen sich nach Aussage der LfD Niedersachen bewusstwerden, dass eine intensive Videoüberwachung die Rechte ihrer Arbeitnehmer auf empfindliche Weise verletzt.
Ebenfalls nicht zulässig ist die Videoüberwachung im Verkaufsraum des Unternehmens, von der auch Sitzgelegenheiten erfasst wurden. Da sich Kunden in Sitzbereichen über einen längeren Zeitraum hinweg aufhalten (sollen), gelten die Interessen der betroffenen Personen dort als besonders schutzwürdig. Deshalb fehlt es für eine zulässige Videoüberwachung in diesem Fall an der Verhältnismäßigkeit, weshalb hier ebenfalls ein Verstoß gegen das Datenschutzrecht vorliegt. Neben der fehlenden Rechtsgrundlage für den Einsatz der Kameras kam erschwerend hinzu, dass die Aufnahmen teilweise 60 Tage lang und damit deutlich länger als erforderlich aufbewahrt wurden.
Unternehmen legt Widerspruch ein
Die Aufsichtsbehörde sieht die genannten Verstöße gegen die datenschutzrechtlichen Vorgaben als schwerwiegend an und verhängte deshalb 10,4 Millionen Euro Bußgeld. Dieses ist allerdings noch nicht rechtskräftig, das Unternehmen hat Widerspruch gegen den Bescheid eingelegt. Der Versandhändler hält Höhe des Bußgelds für unverhältnismäßig und forderte die Aufhebung des Bescheids. Zudem sei die Kontrolle des Warenflusses mithilfe von Videokameras in der Branche üblich und das Videosystem diente zu keinem Zeitpunkt der Kontrolle der MitarbeiterInnen. Das Unternehmen beanstandete außerdem, dass die Videoanlage trotz Einladung der LfD Niedersachen nie vor Ort begutachtet wurde.
Es bleibt abzuwarten, ob der Bußgeldbescheid bestehen bleibt oder ob das Bußgeld reduziert wird. In ihrer Pressemitteilung gab die LfD Niedersachen bereits an, dass die Videoüberwachung zwischenzeitlich überarbeitet und im Einklang mit den datenschutzrechtlichen Anforderungen gestaltet wurde. Den Nachweis konnte das Unternehmen gegenüber der Aufsichtsbehörde bereits erbringen.
Unabhängig davon, wie bezüglich des Bußgeldbescheides schlussendlich entschieden wird, macht dieser Fall noch einmal deutlich, dass die Rechtmäßigkeit einer Videoüberwachung genau geprüft werden muss. Die Aufnahme von Personen stellt stets einen erheblichen Eingriff in deren Persönlichkeitsrechte dar, der nur unter strengen Voraussetzungen gerechtfertigt werden kann. Allgemeine Annahmen wie die abschreckende Wirkung von Videokameras oder ein Berufen auf übliche Vorgehensweisen können keine Rechtfertigung sein, um die massive Verletzung der Rechte von Mitarbeitern, Kunden oder anderen Betroffenen zu legitimieren. Deshalb muss vor dem Installieren jeder Kamera genau geprüft werden, ob die Videoüberwachung im Einzelfall im Einklang mit der DS-GVO steht. Anderenfalls riskieren Unternehmen Unterlassungsklagen, Bußgelder und Schadensersatzforderungen.