Stand: 22.07.2022
Der Einsatz von Videokameras ist sowohl bei Privatpersonen als auch bei Unternehmen sehr beliebt, um Einbrecher abzuschrecken und Straftaten aufzudecken. Die Überwachungsanlagen werden nicht nur stetig weiterentwickelt und bieten umfangreiche Funktionen, sondern sind auch immer leichter und kostengünstiger zu beschaffen. Deshalb setzen Unternehmen in vielen Bereichen auf eine Videoüberwachung und installieren auf dem Firmengelände und in den Räumlichkeiten meist mehrere Kameras. Hierbei werden in der Regel neben Gegenständen auch Personen wie Beschäftigte, Kunden oder Besucher aufgezeichnet. Eine solche Videoüberwachung stellt unabhängig davon, ob die Bilder aufgezeichnet und gespeichert werden oder nicht, einen Eingriff in das Persönlichkeitsrecht der gefilmten Personen dar, da überwacht wird, wann sie sich wo aufhalten und was sie dort tun.
Nachdem die DS-GVO die Rechte der Betroffenen erheblich gestärkt hat, ist sich ein Großteil der Menschen mittlerweile auch bewusst, wie sie diese Rechte durchsetzen können. Das zeigt sich auch daran, dass bei den deutschen Aufsichtsbehörden jährlich zahlreiche Beschwerden wegen unzulässiger Videoüberwachungen eingehen, die in einigen Fällen zu einem Bußgeld in vier- bis fünfstelliger Höhe geführt haben.
In anderen Fällen erließen die Aufsichtsbehörde Anordnungen, nach denen Unternehmen die Videoüberwachung in Einklang mit der DS-GVO bringen oder gar abstellen sollten. Die datenschutzrechtlichen Anforderungen an den Einsatz von Videokameras sind hoch und müssen für jeden Einzelfall genau geprüft werden. Um eine Videoüberwachung rechtfertigen zu können, muss insbesondere eine konkrete Gefährdungslage bestehen, die über ein annehmbares Risiko hinausgeht. Dies macht auch das Urteil des Verwaltungsgerichts (VG) Mainz vom 24.09.2020 (Az.: 1 K 548/19.MZ) deutlich.
Hintergrund des Urteils
Der Landesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit Rheinland-Pfalz (LfDI) ermittelte gegen einen Unternehmer wegen der Videoüberwachung auf einem Parkplatz. Dieser hatte insgesamt vier Kameras aufgehängt, um eine Reklametafel vor Beschädigung zu schützen. Von dem Aufzeichnungswinkel wurden neben der Tafel unter anderem auch Teile des Parkplatzes, des anliegenden Einkaufszentrums sowie einer öffentlichen Straße erfasst. Die Aufsichtsbehörde untersuchte den Sachverhalt und entschied, dass die Videoüberwachung nicht den Anforderungen der DS-GVO entspricht und damit rechtswidrig ist. Eine der Kameras sollte abgeschaltet und abgebaut werden und bei drei anderen sollten Anpassungen vorgenommen werden.
Der Betreiber der Anlage teilte die Ansicht der Aufsichtsbehörde nicht und reichte gegen den Bescheid Klage ein. Die Videoüberwachung sei rechtmäßig, da die datenschutzrechtlichen Voraussetzungen erfüllt seien. Außerdem führt der Kläger an, dass die Aufzeichnungen nur bei einem konkreten Schadensfall gesichtet und anderenfalls automatisch ungesehen gelöscht werden. Zudem dürfe die Behörde ein Abhängen der Kamera gar nicht anordnen, da nach dem Abschalten bereits keine personenbezogenen Daten mehr verarbeitet werden und die Datenverarbeitung damit unterbunden ist. Dementsprechend könne die Behörde einen Abbau nicht auf Grundlage der DS-GVO anordnen. Die Aufsichtsbehörde argumentiert wiederum, dass auch durch die abgeschaltete Kamera, wie bei einer Attrappe, ein Überwachungsdruck entsteht und zudem nur durch einen Abbau sichergestellt werden kann, dass die Anlage nicht wieder in Betrieb genommen wird.
Aufsichtsbehörde darf kein Abhängen der Kameras anordnen
Die Richter des VG Mainz geben dem klagenden Unternehmer teilweise recht und entschieden, dass eine Aufsichtsbehörde nicht befugt ist, das Abhängen von Videokameras anzuordnen. Zwar stimmt das Gericht der Behörde in dem Punkt zu, dass die Videoüberwachung mithilfe der betreffenden Kamera rechtswidrig war, die Aufsichtsbehörde kann gem. Art 58 Abs. 2 lit. f) aber lediglich die Datenverarbeitung untersagen. Die Anordnung zur Demontage einer Kamera ist hiervon allerdings nicht umfasst. Die bloße Tatsache, dass eine abgeschaltete Kamera vorhanden ist, stellt keine Datenverarbeitung im Sinne einer aktiven Handlung dar. Das gilt auch, wenn die Einhaltung der Anordnung durch das Abhängen der Kameras von der Behörde besser geprüft werden könnte. Unabhängig davon, ist die DS-GVO bei abgeschalteten Kameras nicht anwendbar, da keine personenbezogenen Daten verarbeitet werden.
In puncto Rechtmäßigkeit der Videoüberwachung teilte das Gericht dagegen vollständig die Meinung der Behörde und entschied, dass die Anordnungen zur Anpassung bzw. dem Abschalten der vier Kameras rechtmäßig waren. Im Rahmen der einzelnen Interessensabwägungen kamen die Richter zu dem Ergebnis, dass die Videoüberwachung nicht den datenschutzrechtlichen Anforderungen entspricht.
Videoaufnahmen sind keine besonders sensiblen Daten i. S. v. Art. 9 DS-GVO
Bei der Prüfung der Rechtmäßigkeit der Videoüberwachung stellt das VG Mainz zunächst klar, dass die besonderen Anforderungen des Art. 9 DS-GVO für die Verarbeitung besonders sensibler und schützenswerter Daten in diesem Fall nicht angewendet werden müssen. Es trifft zwar zu, dass sich aus dem äußeren Erscheinungsbild der gefilmten Personen gegebenenfalls Rückschlüsse auf die ethnische Herkunft, die religiöse Überzeugung, den Gesundheitszustand oder die sexuelle Orientierung ziehen lassen. Der primäre Zweck der Videoüberwachung liegt allerdings nicht in der Auswertung solcher Informationen, sondern in der Strafprävention und -verfolgung. Da es an einer Auswertungsabsicht fehlt, ist Art. 9 DS-GVO nicht anzuwenden, das heißt die Rechtmäßigkeit der Videoüberwachung muss anhand der Vorgaben von Art. 6 DS-GVO geprüft werden.
Videoüberwachung nur bei konkreter Gefährdungslage zulässig
Damit eine Datenverarbeitung zulässig ist, muss sie von einer der in Art. 6 Abs. 1 S. 1 DS-GVO genannten Rechtsgrundlagen gedeckt sein. Da in diesem Fall keine Einwilligung der Betroffenen vorlag (Art. 6 Abs. 1 S. 1 lit. a) DS-GVO), kam lediglich das überwiegende berechtigte Interesse des Betreibers (Art. 6 Abs. 1 S. 1 lit. f) DS-GVO) in Frage. Demnach wäre der Einsatz der Videokameras zulässig, wenn dies zur Wahrung berechtigter Interessen des Betreibers – hier die Verhinderung von Straftaten – erforderlich ist und die Schutzinteressen der gefilmten Personen nicht überwiegen. Die beiden Interessenslagen müssen demnach gegeneinander abgewogen werden (Interessenabwägung).
Zwar ist die Verhinderung und Aufklärung von Straften grundsätzlich ein schutzwürdiges und objektiv begrünbares Interesse des Betreibers der Überwachungsanlage. Um eine Erforderlichkeit der Videoüberwachung bejahen zu können, muss allerdings eine Gefährdungslage bestehen, die über das allgemeine Lebensrisiko hinausgeht. Das bedeutet, tatsächliche, nachweisbare Ereignisse müssen eine konkrete Gefährdung verursachen. Subjektive Befürchtungen oder ein Gefühl der Unsicherheit sind nicht ausreichend, um eine Gefährdungslage zu begründen. Dementsprechend genügt es nicht, dass der Unternehmer von Beschädigungen anderer Werbetafeln erfahren hat, wenn seine eigene noch nicht von Dritten beschädigt worden ist. Es gibt auch keine ausreichenden Hinweise, dass die Kameras ihren Zweck erfüllen und es nur ihretwegen nicht zu Sachbeschädigungen kam.
In der Tatsache, dass es auf dem Parkplatz, der ebenfalls teilweise von der Videoüberwachung erfasst wird, bereits mehrere Fälle von Fahrerflucht gab, sieht das Gericht ebenfalls keine besondere Gefährdungslage. Solche Vorfälle würden unter das allgemeine Lebensrisiko fallen. Da es in dem naheliegenden Einkaufszentrum sowie einer nahegelegenen Lagerhalle allerdings bereits mehrfach zu Straftaten kam, könnte sich aufgrund des Umfelds eine gewisse Gefährdungslage ergeben. Teilweise enthielten die Schmierereien an den Wänden persönliche Beleidigungen gegen den Unternehmer, weshalb die reelle Gefahr besteht, dass auch seine Werbetafel beschädigt wird. Damit wäre eine Videoüberwachung zumindest außerhalb der Öffnungszeiten, zu denen sich auch keine Besucher oder andere Personen auf dem Gelände befinden, erforderlich. Das Gericht sieht die Videoüberwachung auch als geeignet an, Straftäter abzuschrecken und kann keine alternativen, milderen Mittel, die mit einem zumutbaren Aufwand zur Verfügung stehen würden, erkennen.
Heimliche Überwachung öffentlich zugänglicher Bereiche grundsätzlich unzulässig
Problematisch ist allerdings, dass eine der Kameras einen Teil der Straße erfasst, wobei die Videoüberwachung dort für die gefilmten Personen nicht erkennbar ist. Insbesondere für vorbeifahrende Autofahrer sind die aufgehängten Hinweisschilder nicht gut sichtbar. Zugleich ist die Überwachung in diesem Bereich auch überwiegend anlasslos, da die Autofahrer und Fußgänger die Werbetafel offensichtlich nicht beschädigen wollen. Die heimliche Überwachung zählt als besonders schwerwiegender Eingriff in die Persönlichkeitsrechte der Betroffenen und ist grundsätzlich unzulässig. Dementsprechend ist der Einsatz der Kamera, welche die Straße erfasst, rechtswidrig und die Anordnung der Aufsichtsbehörde, diese abzuschalten, war begründet und rechtens. Das gleiche gilt für die Verwarnung als Vorstufe zur Verhängung eines Bußgeldes, denn nach dem Datenschutzrecht ist die Behörde befugt, nebeneinander Verwarnungen und Anordnungen auszusprechen.
Etwas anders stellt sich dies im Fall der Kamera dar, die Teile des Parkplatzes erfasst. Zum einen sind die Hinweise und damit die Videoüberwachung für Personen auf dem Gelände im Gegensatz zu den Autofahrern auf der Straße erkennbar. Außerdem erkennt das Gericht zumindest außerhalb der Öffnungszeiten eine Gefährdungslage an, das heißt die Kameras dürfen nur dann aktiv sein, wenn das Einkaufzentrum geschlossen hat. In diesem Zeitraum halten sich in der Regel keine Personen auf dem Parkplatz auf und tun sie es doch, kann dies als verdächtiges Verhalten eingeordnet werden. Dementsprechend teilt das Gericht auch in diesem Punkt die Ansicht der Behörde und beurteilt die Anordnung, dass die Kamera nur außerhalb der Öffnungszeiten aktiviert werden darf, als rechtmäßig. Ebenso wie die Aufforderung, die Anpassungen an der Videoüberwachungsanlage gegenüber der Aufsichtsbehörde nachzuweisen.
Geeignetheit zum Eigentumsschutz bei kleinen Aufzeichnungswinkeln zweifelhaft
Bei den beiden Kameras, die größtenteils die Werbetafel aufzeichnen, zweifelte das Gericht neben dem Bestehen einer Gefährdungslage auch an der Geeignetheit der Videoaufnahmen. Würden die Kameras lediglich die Werbetafel aufzeichnen, läge gar keine Verarbeitung personenbezogener Daten vor. Erfasst werden allerdings auch kleine Bereiche eines nahegelegenen Wohnhauses und einer Straße, weshalb eine Datenverarbeitung nach der DS-GVO vorliegt. Da der betreffende Bildschirmausschnitt aber nur sehr klein ist, ist zweifelhaft, ob sie geeignet sind, das Eigentum des Unternehmers zu schützen und ihren Zweck zu erfüllen. Hinzu kommt, dass der Betreiber nach eigenen Angaben die Randbereiche gar nicht aufnehmen wollte, eine andere Ausrichtung aus technischen Gründen aber bisweilen nicht möglich war. Dementsprechend fehlt es beim Einsatz der beiden Kameras an einem Verarbeitungszweck und die Verarbeitung personenbezogener Daten ist folglich auch nicht erforderlich, das heißt rechtswidrig. Damit ist auch diese Anordnung der Aufsichtsbehörde, die Aufzeichnungswinkel anzupassen, rechtmäßig.
Weitere Urteile zur unzulässigen Videoüberwachung
Nach diesem Urteil gab es weitere Entscheidungen anderer Gerichte zur Videoüberwachung. Diese Urteile betreffen unterschiedlichste Situationen und machen deutlich, in welchen Bereichen die Vorgaben der DS-GVO überall eingehalten werden müssen – sowohl von Privatleuten als auch Unternehmen.
Genaue Prüfung der Videoüberwachung essenziell
Das Urteil des VG Mainz sowie die später folgenden Entscheidungen der Gerichte machen deutlich, welche strengen Anforderungen an eine datenschutzkonforme Videoüberwachung gestellt werden. Jede eingesetzte Kamera sowie die Aufzeichnungswinkel müssen genau geprüft und analysiert werden, ob die Videoüberwachung in der geplanten Form zulässig ist. Das gleiche gilt für alle zugehörigen Verarbeitungsschritte, wie gegebenenfalls eine Aufzeichnung, Löschfristen der Aufnahmen, der Kreis der Personen, die Zugriff auf die Aufnahmen/ Aufzeichnungen haben, welche Funktionen die Kameras bieten und so weiter. Im vorliegenden Fall wurde positiv berücksichtigt, dass Aufzeichnungen nach 48 Stunden automatisch gelöscht wurden und ausschließlich der Unternehmer selbst Zugriff auf die Aufnahmen hatte. Zudem verfügten die Kameras nicht über eine Zoom- oder Schwenkmöglichkeit, zeichneten keine höchstpersönliche Bereiche auf und die Aufzeichnungen wurden nur bei einem konkreten Schadensfall eingesehen. Trotz dieser Maßnahmen fiel die Interessensabwägung, wie oben beschrieben, zum Großteil zu Gunsten der Betroffenen aus und die Videoüberwachung war nicht zulässig.
Ebenso essenziell wie die Prüfung an sich ist die Dokumentation der Videoüberwachung und der Argumentation. Betreiber von Videoüberwachungsanlagen müssen nicht nur analysieren, ob und in welcher Form der Einsatz von Kameras zulässig ist, sondern die Prüfung gegenüber der Aufsichtsbehörde auch nachweisen können. Die Videoüberwachung bietet eine Reihe verschiedener Stolpersteine und ist aus Datenschutzsicht immer problematisch. Unternehmen sollten sich deshalb genau überlegen, ob und wo sie Kameras installieren.